Gottesurteile

Das Gottesurteil ist ein Mittel sakraler Rechtsfindung, das auf der Vorstellung beruht, ein Urteil über Schuld oder Unschuld eines Angeklagten durch ein Zeichen Gottes erhalten zu können. Gott gilt als der Hüter des Rechts, der Unschuldige und Gerechte in der zu leistenden Probe schützt. Das Gottesurteil diente zunächst nur bei nicht eidesfähigen Personen – Unfreien und Frauen – als Beweismittel. Es setzte sich später auch für andere Mitglieder der Gesellschaft durch.

Das spätantike römische Recht kannte keine Gottesurteile. Im germanischen Recht ist das Gottesurteil jedoch verwurzelt. Über die aufstrebenden germanischen Nachfolgestaaten kam auch die Kirche mit diesem in Verbindung. Obwohl es immer wieder einzelne kritische Stimmen gegen Gottesurteile gab, wurden diese erst ab dem 12. Jahrhundert als Versuchung Gottes infrage gestellt. Durch die Einführung von Beweisregeln in der Prozessführung verloren die Gottesurteile im Spätmittelalter einiges an Bedeutung. Sie wurden jedoch in den Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit wieder verstärkt praktiziert. Die Ausprägungen der einzelnen Proben zum Gottesurteil konnten sehr unterschiedlich sein.

 

Abendmahlsprobe

Diese Probe beruhte auf der Annahme, dass ein Schuldiger nicht in der Lage wäre, das heilige Abendmahl zu sich zu nehmen. Konnte der Proband dies problemlos, war seine Unschuld erwiesen.

 

Blutprobe

Der Blutprobe, die auch Bahrgericht genannt wurde, lag die Ansicht zugrunde, ein Leichnam begänne in der Nähe seines Mörders erneut zu bluten. Die literarische Verarbeitung der Blutprobe zeigt sich in dem mittelalterlichen Epos der Nibelungen, als Hagen von Tronje an der Bahre Siegfrieds steht.

 

Bissenprobe

Ein Stück Brot oder Käse musste vom Probanden geschluckt werden. Wer sich dabei verschluckte, galt als schuldig.

 

Feuerprobe

Der Proband musste über glühende Pflugscharen gehen oder aber ein heißes Eisen in bloßen Händen tragen. Verheilten die entstandenen Brandwunden ohne Probleme, so galt seine Unschuld als erwiesen.

 

Kesselfang

Aus einem Kessel mit siedendem Wasser oder Öl musste ein gegen Gegenstand entnommen werden. Ähnlich wie bei der Feuerprobe galt die Unschuld des Angeklagten als erwiesen, wenn der folgende Heilungsprozess ohne Probleme verlief.

 

Kreuzprobe

Die Kreuzprobe unterschied sich dadurch von den anderen Proben, dass sie von beiden streitenden Parteien absolviert werden musste. Sie stellte Kläger und Beklagten vor das Problem, mit ausgestreckten Armen unbeweglich vor einem Kreuz zu stehen. Für schuldig befunden wurde derjenige, der sich zuerst bewegte.

 

Losordal

Kläger und Beklagter zogen ein Los. Schuld oder Unschuld wurde durch dieses Los bestimmt.

 

Rasengang

Der Proband musste durch ein Tor gehen, das aus einem langen Streifen noch mit der Erde verwurzeltem Rasen bestand. Durch eine Lanze wurde der Rasen dabei abgestützt. Fiel der Rasen beim Durchgang herunter, kam dies einem Schuldspruch gleich.

 

Wasserprobe

Bei der Kaltwasserprobe wurde der rituell gefesselte Proband an einer Leine gehalten ins Wasser geworfen. Ging er unter, so galt er als unschuldig und wurde mithilfe der Leine zurück an Land gezogen. Mittelalterlichen Glaubensvorstellungen zufolge war Wasser rein und Teil der Schöpfung Gottes. Wer oberhalb der Wasserfläche blieb, den wollte das reine Wasser nicht aufnehmen und er war somit schuldig. In etlichen Fällen fiel das Todesurteil jedoch auch bei Angeklagten, die im Wasser untergingen, denn sie wurden häufig nicht schnell genug an Land gezogen und ertranken.

 

Zweikampf

Ähnlich der Kreuzprobe waren bei dieser Probe ebenfalls beide im Rechtsstreit befindlichen Parteien an der Wahrheitsfindung beteiligt. Dieser Kampf zwischen den beiden streitenden Parteien wurde solange geführt, bis einer von ihnen den Gegner überwältigte. Der Sieger des Zweikampfes hatte damit erwiesen, dass er unschuldig war, für seinen Gegner bedeutete die Niederlage den Schuldspruch.