"Auf großem Fuße leben"

Die Redensart hat ihren Ursprung im 12. Jahrhundert. Ein Graf von Anjou hatte sich nämlich Schuhe mit besonders langer Spitze machen lassen, weil er an einem Fuß eine Geschwulst hatte und normales Schuhwerk nicht tragen konnte. Weil er im Rufe stand, ein Vorbild für Eleganz zu sein, eiferten ihm seine Zeitgenossen nach und ließen sich ebenfalls lange Schuhe machen. Erst nach 1500 wurde diese Mode unter Kaiser Karl V. abgeschafft.

Dass zu einigen Ritterrüstungen lange spitze Schuhe gehören, hat seinen Grund darin, dass man mit einem spitzen Schuh den Steigbügel besser treffen konnte.

 

"Es zu bunt treiben"

Dem mittelalterlichen Menschen war es untersagt, etwas anderes als graue, braune oder blaue Kleidung zu tragen. Dazu muss man wissen, dass das mittelhochdeutsche Wort "bunt" abgeleitet wird von dem in der Klosterkultur gebräuchlichen Begriff "punctus", womit schwarze Stickerei auf weißem Grund gemeint war. "Buntes" war also ursprünglich nur schwarz-weiß im Gegensatz zu einfarbig. So wurde gestreifter oder gefleckter Pelz "Buntwerk" genannt, also zum Beispiel das nur von Fürsten getragene Futter aus Hermelinfellen. Man sagte "kunterbunt", wenn man mehrere Farben gleichzeitig meinte, und erst im 14. Jahrhundert änderte sich die Bedeutung des Wortes "bunt" zu "vielfarbig".

Im Jahr 1337 sprach sich die Kölner Synode gegen gescheckte, übertrieben bunte Kleidung aus. Wenn man es also zu bunt trieb, verhielt man sich nicht standesgemäß.

 

"Hieb- und stichfest"

Magische Sprüche sollten den Mann für den Kampf unverwundbar machen. Man nannte diesen Brauch "Festmachen". Die Zwillingsformel Hieb-und stichfest gehörte zu diesem Zauber.

"Es brennt auf den Nägeln"

Das Mönchsleben war streng reglementiert. Der Tagesablauf wurde durch acht Andachten, die Horen, gegliedert. Eine davon, die Vigil, findet um 2 Uhr nachts statt, mit Gebeten, Psalmen und Wechselgesängen. In den mittelalterlichen Klöstern war die Beleuchtung sparsam. Um die Texte der Psalmen lesen zu können, klebten sich die Mönche mit Wachs kleine Kerzen auf die Fingernägel. Eine Vigil konnte bis zu drei Stunden dauern. Dann war die Kerze meist heruntergebrannt. "Es brennt auf den Nägeln" beschreibt anschaulich die dringende Notwendigkeit, sich nun aber zu beeilen!

 

"Das geht auf keine Kuhhaut"

Als frühester Beleg für diese alte Redewendung haben wir die "Sermones vulgares" von Jaques de Vitry aus dem frühen 13. Jahrhundert. Zu dieser Zeit war es noch üblich, auf Tierhaut zu schreiben. Denn bevor das Papier im 13. Jahrhundert seinen Siegeszug antrat, wurde auf Pergament geschrieben, meist von Schafen oder Kälbern. Die Menschen im Mittelalter glaubten, dass während ihres Lebens der Teufel ihre Sünden aufschreibe, um sie ihnen beim Jüngsten Gericht vorzuhalten. Da konnte bei einem richtigen Sünder schon allerhand zusammenkommen. Die Ankündigung, dass selbst die Haut des größten zur Verfügung stehenden Tieres, also die Kuh, nicht ausreichen könnte, um alle Sünden eines Menschen niederzuschreiben, kann als ultimative Drohung mit der ewigen Verdammnis aufgefasst werden.

 

"Immer die alte Leier"

Die mittelalterliche Musik klingt in unseren Ohren eher fremd, denn sie ist durch die Bordun-Charakteristik bestimmt. Bordune sind feststehende Töne, die eine monotone Begleitung spielen, eine frühe Art der Mehrstimmigkeit. Das bekannteste Bordun-Instrument ist der Dudelsack, der auch im Mittelalter sehr verbreitet war. Es gab aber auch Saiten-Instrumente, die bordun spielten, vor allem die Drehleier. Sie war ein verbreitetes Musikinstrument bis in die Barockzeit, überlebte in der Folklore und erlebte im Rahmen der Mittelalter-Welle eine Wiederentdeckung. Die Leier zeichnet sich, jedenfalls in ihrer einfachen Form, nicht durch übergroße Flexibilität aus und hat einen leicht klagenden Ton. Deshalb entstand die Metapher für "immer das Gleiche".

 

"Den Brotkorb höher hängen"

Die Möglichkeiten der Konservierung von Lebensmitteln waren im Mittelalter begrenzt.

Räuchern, Pökeln und Trocknen war üblich, ansonsten musste immer frisch zubereitet werden.

Haltbare Nahrungsmittel wie Räucherfisch und Dörrfleisch, aber auch in Körben gelagerte Backwaren wurden in der Küche an der Decke aufgehängt, um sie vor Ratten und Mäusen zu schützen. In Hungerperioden musste der Brotkorb, der normalerweise handlich in Griffhöhe angebracht war, höher gehängt werden, um den Zugriff außerhalb der reglementierten Essensausgabe mit ihren knappen Rationen zu unterbinden. Die Tatsache, dass Brot eines der wichtigsten, für sehr viele Menschen sogar das einzige Nahrungsmittel war, lässt ahnen, dass es sehr schlechte Zeiten waren, in denen der Brotkorb höher gehängt werden musste.

 

"Mundtot machen"

Diese Redewendung hat überraschenderweise mit dem Mund gar nichts zu tun. Das Wort "Mund" stammt vom mittelhochdeutschen "munt". Das ist ein Begriff der Rechtssprache, der so viel wie "Schutz" oder "Gewalt" bedeutete. In unserem Wort "Vormund" ist dieses "munt" auch noch enthalten: "Entmündigen".

 

"Maulaffen feilhalten"

Den Unterschied zwischen dem Leben im Mittelalter und dem unseren heute kann man sich verdeutlichen, wenn man bedenkt, was damals an heute selbstverständlichen Dingen nicht vorhanden war. Zum Beispiel war damals der Tag nach Sonnenuntergang schnell zu Ende, denn es gab außer Tranfunzeln nur Kienspäne, die etwas Licht spendeten. Für diese harzreichen Holzscheite gab es tönerne Kienspanhalter, in Form eines menschlichen Kopfes gestaltet, mit dem offenen Mund als Öffnung für den Kienspan. Der Grund war, dass man den Span, wenn man gerade keine Hand frei hatte, kurzfristig durchaus auch zwischen die Zähne nahm. Deshalb wurden diese Halter "Maulaffen" genannt. Die Redewendung nimmt Bezug auf das dumme Gesicht mit offenem Mund, das aussieht wie ein Kienspanhalter, eben ein zum Verkauf angebotener Maulaff.

 

"Etwas ausmerzen"

Dieser Ausdruck betraf die unangenehme Seite des Schäferberufs. Im Frühling wurden die neuen Lämmer geboren, und da die Schafherden ständig unterwegs waren, war das Schicksal neugeborener Schäfchen, die zu schwach waren, ausgesondert, heißt, geschlachtet zu werden. Auch die Nichteignung zur Wollgewinnung oder Weiterzucht konnte ein Grund sein, vom Schäfer getötet zu werden. Da dies meist im Monat März geschah, bildete sich daraus der Ausdruck "ausmerzen".

 

"Etwas ausbaden"

In früheren Zeiten, als es noch nicht so einfach war, einen ganzen Zuber Wasser zu erhitzen, war es selbstverständlich, dass sich die Mitglieder einer Familie das Badewasser teilten, indem sie nacheinander das einmal gefüllte Badefass nutzten. Dies galt auch über die direkten Familienangehörigen hinaus, denn früher gehörte auch das Gesinde zum Haushalt. Je nach Rangordnung kam man in den "Genuss" des immer schmutziger und kälter werdenden Badewassers. Der Letzte musste schließlich das Wasser entsorgen und Fass und Kammer reinigen. Auf diese unangenehme Arbeit bezieht sich die Redewendung, die so zu verstehen ist, dass man für etwas verantwortlich gemacht wird, das jemand anderes verschuldet hat.

 

"Ihn sticht der Hafer"

Fütterte man Pferde zu sehr mit Hafer, waren sie schwer zu bändigen.

Dieser Übermut wurde in der Redensart auf den Menschen übertragen.

"Schief gewickelt sein"

Dieses Wickeln geht auf den mittelalterlichen Umgang mit Kleinkindern zurück und hat nur indirekt mit unsachgemäßer Verpackung zu tun. Auch heute sagt man ja noch, dass ein Baby gewickelt wird. Man meint aber damit lediglich, dass es eine frische Windel bekommt. Im Mittelalter aber war mit dem Wickeln tatsächlich das Einwickeln des ganzen Körpers mit Ausnahme des Kopfes gemeint, weshalb man bei Säuglingen noch heute von Wickelkindern spricht. Unter modernen Gesichtspunkten der Babypflege ist die historische Art der Ruhigstellung natürlich abzulehnen, weil das Kind stundenlang keinen Finger bewegen konnte. Wie dem auch sei, die Ammen beherrschten damals jedenfalls die Kunst, Kleinkinder richtig zu wickeln, um spätere Haltungsschäden zu vermeiden. Wenn nämlich ein Kind schief gewickelt wurde, konnte das sehr schmerzhaft und folgenreich sein.

 

"In die Schuhe schieben"

In den Herbergen der wandernden Handwerksgesellen ging es recht rustikal zu. Fremdes Eigentum, vor allem Taler, wechselten manches Mal auf unehrliche Weise ihre Besitzer. Der Verdacht eines Diebstahls konnte dazu führen, dass es im Schlafsaal zu einer Untersuchung durch die Obrigkeit kam, inclusive Leibesvisitation. Dann musste das corpus delicti schnellstens verschwinden. Der Schuh des Bett-Nachbarn bot sich an.

 

"Etwas durch die Blume sagen"

Früher kam es häufig vor, dass ein Freier um eine Jungfrau anhielt, die ihn noch nicht kannte.

Wenn sie ihn ablehnte, sich aber scheute, dies auszusprechen, konnte sie dem Bewerber beispielsweise einen Strauß bestimmter Blumen überreichen. Da früher viele Blumen wie Vergissmeinnicht oder Männertreu eine symbolische Bedeutung hatten, konnte sie ihm ihre Entscheidung "durch die Blume" mitteilen, ein Nein zum Beispiel durch Kornblumen. Wenn sie sich traute, konnte sie es ihm allerdings auch "unverblümt" ins Gesicht sagen. Eine andere Art der höflichen Abfuhr war das "Abspeisen". Dabei erhielt der Freier eine bestimmte Mahlzeit vorgesetzt, je nachdem, ob die Antwort positiv oder negativ war. Zum Beispiel reichte man bei einem Ja Wurst und Schinken, bei einem Nein Käse - alles Käse!

 

"Den Löffel abgeben"

Im Mittelalter war es völlig normal, mit den Fingern zu essen. Die für uns heute selbstverständliche Gabel war verpönt, weil der Teufel eine Gabel benutzte. Jahrhundertelang war neben dem Messer, mit dem Fleisch und Brot geschnitten wurden, das einzige Esswerkzeug der Löffel, den man für Suppe und Brei benötigte. In der mittelalterlichen Hausgemeinschaft erhielt jeder einen eigenen Holzlöffel, den er nach jeder Mahlzeit abwischte und auf das Löffelbrett steckte. Den eigenen Löffel behielt man meist bis zum Lebensende. Dadurch wurde der Löffel nicht nur ein Symbol für das Essen, sondern auch für Leben allgemein. Wer den Löffel abgegeben hatte, war gestorben und brauchte ihn nicht mehr. Weil damals nichts weggeworfen wurde, hat man den Löffel des Verstorbenen selbstverständlich an einen Jüngeren weitergegeben.

 

"Hand und Fuß haben"

Ein Ritter war nach damaligem Verständnis nur kriegstüchtig, wenn er noch die rechte Hand und den linken Fuß besaß. Mit der rechten Hand führte er das Schwert, und der Fuß, mit dem er in den Steigbügel trat, um aufs Pferd zu gelangen, war der linke. Es war eine äußerst schwere, aber oft verhängte Strafe, eines der beiden oder gar beides abgeschlagen zu bekommen. Linkshänder taten übrigens gut daran, dies zu verschweigen, denn Minderheiten waren im Mittelalter suspekt und konnten leicht auf dem Scheiterhaufen landen.

 

"Nicht lange fackeln"

Mit der im Mittelalter als handliche Lichtquelle weit verbreiteten Fackel hat dieser Ausdruck wenig zu tun. Das Ursprungswort ist "fickfacken", das, man ahnt es schon, "hin- und herbewegen" bedeutete, und zwar in einem abwertenden Sinn. Heute steckt es noch in einem Wort für Geschlechtsverkehr, auch in der englischen Sprache. Nicht lange fackeln heißt also, keine unnötige, überflüssige Bewegung machen. Merkwürdigerweise wird sie immer verneinend gebraucht. Nie hört man jemanden sagen: Nun fackle mal!

 

"Die Kirche im Dorf lassen"

Das stammt aus der Zeit, als die katholische Kirche Prozessionen durch das Dorf machte. Da manche Dörfer aber sehr klein waren, ging man einfach um den Ort herum, und ließ "die Kirche im Dorf."

 

"Pech gehabt!"

Viele Burgführer zeigen über dem Burgtor eine "Pechnase" und weisen darauf hin, dass daher der Ausdruck "Pech gehabt" stamme. Man glaubte, dass die Verteidiger einer Burg heißes Pech auf die Angreifer geschüttet hätten. Diese Vorstellung entspricht allerdings nicht den Tatsachen, denn die Burgenforschung hat mittlerweile nachgewiesen, dass zum Flüssigmachen von Pech Temperaturen nötig gewesen wären, die in einem Torhaus nicht hätten erzeugt werden können. Der fälschlicherweise "Pechnase" genannte Erker war also eine Verteidigungs-Vorrichtung, aus der man Steine warf oder Pfeile schoss. Redewendungen, in denen der Begriff "Pech" vorkommt, haben deshalb nichts mit Burgen zu tun. Ein Pechvogel war zum Beispiel ein Singvogel, den man auf einer mit klebrigem Pech bestrichenen Rute fing, um ihn anschließend zu verspeisen - Pech gehabt! Und wenn heute jemand auf etwas erpicht ist, dann ist er darauf fixiert, wie mit Pech daran festgeklebt.

 

"Sich schinden"

Der neben dem Henker am wenigsten geachtete Beruf des Mittelalters war der des Schinders.

Seine Arbeit war, krankem oder verletztem Vieh das Fell abzuziehen und das Fleisch, "Schindluder" genannt, zu verarbeiten. Vor allem trug zu seinem schlechten Image bei, dass er dem Henker bei rohen Hinrichtungsarten helfen musste, besonders beim Häuten. Das war, neben dem Rädern und Vierteilen, eine der grausamsten Strafen, weil das Schinden, also das Hautabziehen, mit unerträglichen Schmerzen verbunden war. Aus "jemanden schinden" als transitiver Form des Verbs entwickelte sich das intransitive "sich schinden". Es wird heute gebraucht, wenn man sich bei einer körperlich extrem anstrengenden Arbeit quälen muss. Die Wendung "Schindluder treiben" bezieht sich auf die verächtliche Einstellung gegenüber minderwertigem Fleisch, das der Schinder, heute sagt man Abdecker, produzierte.

 

"Kein Blatt vor den Mund nehmen"

Das Theater ist eine uralte Kunst. Im Mittelalter wurden allerdings fast ausschließlich Passionsspiele und religiöse Themen auf die Bühne gebracht. Später, vor allem in Zeiten des Absolutismus, konnte es für Schauspieler gefährlich werden, gewisse kritische Texte vorzutragen. Da kam es dann gelegentlich vor, dass man sich durch vor das Gesicht gehaltene Blätter unkenntlich machte. Auch die Technik, in bestimmten Passagen die Stimme durch ein Blatt vor dem Mund zu dämpfen, bezieht sich auf diese Redewendung. Wenn man das Blatt, das auch ein Laubblatt gewesen sein kann, vom Mund wegnahm, war die Stimme deutlicher zu hören, was auch unangenehmen Wahrheiten Gehör verschaffte.

"Von Tuten und Blasen keine Ahnung haben"

Zwei Berufsstände im Mittelalter hatten zu tuten und zu blasen: Der Hirte, der einer der untersten Berufsgruppen angehörte, benutzte ein Horn, um das Weidevieh zu locken, und der Nachtwächter verwendete ebenfalls ein Blasinstrument für die regelmäßigen Signale vom Turm oder den Alarm bei Gefahren wie Feuer oder Bedrohung der Stadtbevölkerung von außen. Beide Tätigkeiten bedurften keiner besonderen Fähigkeiten, man musste nur die Augen offen halten und ein Horn blasen können. Wer nicht einmal zu diesen Aufgaben fähig war, musste besonders dumm sein.

 

"Torschlusspanik haben"

Im Mittelalter konnte man eine Stadt nur durch die Stadttore betreten. Um lichtscheues Gesindel aus der Stadt fernzuhalten, wurden diese Tore nachts geschlossen. Dann kam niemand mehr in die Stadt hinein oder heraus, es sei denn, er konnte sich glaubhaft ausweisen. Reisende, die ihr Ziel noch nicht erreicht hatten, machten sich natürlich Sorgen, dass sie die Nacht außerhalb der Mauern im Freien verbringen mussten, und dadurch mancherlei Gefahren ausgesetzt waren.

Die Angst, dass die Tore der Jugend irgendwann geschlossen sein könnten und man keinen Partner mehr bekommt, ist wohl mit dieser Angst, nachts vor der Stadt allein zu bleiben, verglichen worden.

 

"Über den grünen Klee loben"

Klee war im Mittelalter der Inbegriff der Frische und des Gedeihens. Dichter der mittelhochdeutschen Sprache, zum Beispiel Walther von der Vogelweide, benutzten in ihren Liedern Klee als Symbol für Frühling, Liebe etc. Auch bei den heutigen, ach so rationalen Menschen löst ja ein Kleeblatt eine Assoziation mit Glück aus. Da Klee aber eigentlich eine recht alltägliche Pflanze ist, und auf fast jeder Wiese vorkommt, erschienen Menschen späterer Jahrhunderte diese Lobpreisungen der Minnesänger reichlich übertrieben. Daraufhin bedienten sie sich des Klee-Vergleichs, wenn sie sich über etwas lustig machen wollten.

 

"Nach Jahr und Tag"

Diese Redewendung hat ihren Ursprung in einer mittelalterlichen Rechtsvorschrift. Ursprünglich verwies die Formel auf einen Zeitraum von einem Jahr, sechs Wochen und drei Tagen. Diese ungewöhnliche Frist kam dadurch zustande, dass drei Zeitspannen addiert wurden. Das Landgericht, das unter anderem für Beglaubigungen zuständig war, tagte alle sechs Wochen. Seine Sitzungsperiode dauerte drei Tage. Die Einspruchszeit verjährte nach einem Jahr. Deshalb kam genau diese Frist zustande, kurz Jahr und Tag genannt. Dann war das Urteil nicht mehr anfechtbar, aber auch Erbe oder Kauf waren erst dann endgültig rechtskräftig.

 

"Jemandem die Leviten lesen"

In Lothringen scheint es in der Zeit um 760 im Kirchensprengel Metz recht locker zugegangen zu sein. Offenbar wurde dort die moralische Vorbildfunktion der Priester nicht sehr ernst genommen. Der Bischof von Metz jedenfalls sah sich gezwungen, seinen Geistlichen verschärfte Verhaltensregeln aufzuerlegen. Er verordnete gegen ihre verwilderten Sitten einen Kanon nach Art der Benediktinermönche. Tägliches gemeinsames Gebet und Gesang, Buß- und Andachtsübungen sowie Lesungen aus der Heiligen Schrift sollten der Disziplinierung dienen. Dazu gehörte vor allem das Kapitel 26 aus dem 3. Buch Moses, das auch "Levitikus" genannt wird, weil darin Vorschriften für die Priester der Israeliten, die so genannten Leviten, enthalten sind. Diese besonderen Regeln für das Leben im Priesteramt müssen wohl so häufig in Strafpredigten zitiert worden sein, dass das Leviten-Lesen sprichwörtlich wurde.

 

"Fersengeld geben"

Was hat die Ferse, die ja schon seit Achilles sprichwörtlich ist, mit Geld zu tun?

Die Redewendung ist seit dem 13. Jahrhundert belegt, denn im "Sachsenspiegel", dem ältesten deutschen Rechtsbuch, ist die Rede von "versen pennige" als Abgabe bei der Ehescheidung. Eine Scheidung war im kirchlichen Recht nicht vorgesehen, aber nach altem wendischem Recht konnte das Verlassen des Mannes durch die Ehefrau mit der Zahlung von "versnegelt" abgegolten werden. Möglicherweise geht es hier um die Zahlung in Naturalien, denn eine junge Kuh nennt man auch heute noch Färse. Eine andere Deutung des Spruches bezieht sich auf seine ganz direkte, wörtliche Aussage. Wer Fersengeld gibt, von dem sieht man die Fersen, wenn er flieht. Der alemannische Rechtsbrauch des Strafgeldes für Deserteure könnte hier Pate gestanden haben, denn danach musste der, welcher seine Leute in Gefahr verließ, eine saftige Strafe zahlen.

 

"Zu Kreuze kriechen"

Das Leben der Menschen im Mittelalter war sehr viel jenseitsbezogener als heute. Damals war das wichtigste Lebensziel, nach dem Tod in den Himmel zu kommen. Um dafür sündenfrei zu sein, nahm man teilweise erstaunliche Bußen auf sich. Wallfahrten zu weit entfernten Reliquien von populären Heiligen waren äußerst beliebt, aber auch Selbstkasteiungen bis hin zu den legendären Geißlerprozessionen. Als vergleichsweise milde Form der Buße war es üblich, am Karfreitag im Gedenken an die Kreuzigung Christi sich dem vor dem Altar aufgestellten Kruzifix auf den Knien rutschend zu nähern. Dieser Brauch ist noch in Form eines symbolischen Kniefalls der Gläubigen vor dem Kreuz lebendig, während sich der Priester auch heute noch bei der sogenannten Prostratio vor dem Kreuz zu Boden wirft.

 

"Etwas auf die hohe Kante legen"

Adlige Burgbewohner hatten im Mittelalter meist ein Kastenbett mit hohen Seitenwänden und einem flachen Dach. Die damaligen Betten hatten so hohe Seitenteile, dass wir heute noch davon sprechen, "ins Bett zu steigen". Bei den Bauern wurden später Himmelbetten Mode, die einen Baldachin aus Stoff und Gardinen rundherum hatten. Himmel und Vorhänge sollten, genauso wie die Kastenbetten, verhindern, dass unter der Zimmerdecke krabbelndes Ungeziefer wie Wanzen und Spinnen sich ins Bett fallen ließ. Auch wollte man die Kälte in den ungeheizten Schlafzimmern ungern in die Schlafstatt und gleichzeitig die Wärme hinauslassen. Oben am Baldachin gab es an der Innenseite meist ein umlaufendes schmales Brett, auf dem man Erspartes "auf die hohe Kante" legen konnte, ein vermeintlich sicherer Aufbewahrungsort. Da dieses Versteck aber sogar Gegenstand einer Redensart geworden ist, darf bezweifelt werden, dass hier die Wertsachen wirklich sicher aufgehoben waren.

 

"Da brat mir einer einen Storch!"

Die mittelalterliche Küche war im Vergleich zu heutigen Ernährungsgewohnheiten eher fleischarm. Getreide spielte als Grundnahrungsmittel eine große Rolle und wurde zu Brei, Grütze und Brot verarbeitet. Fleisch lieferte das Schwein, nicht so sehr das Rind. In der Küche damals wurden aber auch Tiere zubereitet, die dem heutigen Gaumen als völlig ungenießbar erschienen wären, zum Beispiel Igel oder Siebenschläfer. Neben Hühnern, Gänsen und Enten wurden auch Schwäne, Pfauen, Wachteln, Kraniche, Singvögel, ja überhaupt jede Vogelart, die man fangen konnte, verzehrt. Aber es gab auch Tiere, deren Genuss untersagt war. Nach einer alttestamentlichen Speisevorschrift darf zum Beispiel der Storch, ebenso wie Reiher, Rabe und Schwalbe, nicht gegessen werden. Dieses Verbot nahm man auch im Mittelalter ernst, zumal der Storch ja nach der Legende auch die kleinen Kinder brachte. Einen Storch zu braten, hätte große Entrüstung hervorgerufen.

 

"Dahin gehen, wo der Pfeffer wächst"

Die einfachen Leute im Mittelalter würzten ihre Speisen natürlich mit einheimischen Gewürzpflanzen wie Senf. Weil Senfbrühe wie heute Ketchup über alle möglichen Speisen gegeben wurde, sagt man heute noch, dass jemand "seinen Senf dazu gibt", wenn er sich in etwas einmischt. Pfeffer als exotisches Gewürz war vor allem wegen seines langen Transportweges sehr teuer. Das Land, aus dem der Pfeffer importiert wurde, war Indien, das für damalige Verhältnisse unvorstellbar weit entfernt war, also die richtige Gegend, um jemanden dorthin zu wünschen, wenn man ihn nie wieder sehen wollte.

Pfeffer war so kostbar, dass man ihn auch als Zahlungsmittel benutzte - er war zeitweise sogar mehr wert als Gold. Erst gegen Zahlung von 3000 Pfund Pfeffer soll der Westgoten-König Alarich um 408 die Belagerung von Rom aufgehoben haben. Im Mittelalter beglich man mit Pfeffer Steuern und Zölle, sein Genuss bedeutete soziales Renommee, und wirklich reiche Leute gebrauchten das teure Gewürz verschwenderisch, um ihren Reichtum zu zeigen. Die Schärfe des Pfeffers trieb damals schon Tränen in die Augen, ähnlich wie hohe Rechnungen, weshalb man auch damals schon von "gepfefferten Preisen" sprach.

"Süßholz raspeln"

Zucker war im Mittelalter ein seltenes Luxusgewürz der Reichen, ähnlich wie Salz und Pfeffer. Das gemeine Volk verwendete Honig zum Süßen. Dabei war es bis ins Mittelalter nicht so einfach, schmerzlos an diesen Rohstoff heran zu kommen. Erst im 14. Jahrhundert wurde die Honiggewinnung professioneller betrieben. 1747 wurde die Zuckerrübe als Lieferant entdeckt.

Und was schenkte der Galan der Umworbenen im Mittelalter? Er schabte oder raspelte den zuckerhaltigen Wurzelstock des Spanischen Süßholzes, um seiner "Süßen" ein Geschenk zu machen, dem sie nicht widerstehen konnte.

 

"Den Nagel auf den Kopf treffen"

Auf den ersten Blick könnte diese Redewendung aus der Zimmermannssprache kommen. Hier geht es jedoch um den Nagel, der früher den Mittelpunkt einer Zielscheibe bildete. Wo sich heute ein schwarzer Punkt mit einer 12 befindet, war auf historischen Scheiben ein Nagel eingeschlagen. Wer diesen Nagel auf den Kopf traf, hatte also genau ins Schwarze getroffen. Im Mittelhochdeutschen war das Wort für Nagel "zwec", und später wurde der Nagel in der Zielscheibe "Zwecke" genannt, woraus sich unser Begriff "Zweck" entwickelt hat.

 

"Auf keinen grünen Zweig kommen"

Im Mittelalter waren symbolische Handlungen wichtig, die einen rechtlichen Vorgang gültig machten. Sie standen meist in einem metaphorischen Zusammenhang mit dem betreffenden Akt. So wurde beim Landverkauf die Übergabe des Grundstücks durch die Überreichung eines grünen Zweiges, der in eine Erdscholle vom verkauften Boden gesteckt war, vom Vorbesitzer zum Erwerber begleitet. Wer also auf keinen grünen Zweig kam, hatte keinen Grund und Boden, war kein freier Bauer, sondern ein landloser Tagelöhner.

 

"Sich aus dem Staub machen"

Beim Buhurt, dem ritterlichen Kampfspiel, aber auch bei den Ritterschlachten wurden durch die ständigen Richtungswechsel und Wendemanöver mit den schweren Pferden eine Menge Staub aufgewirbelt. In dieser Staubwolke konnte so mancher Kriegsknecht, dem sein Leben lieber war als die dem einfachen Mann meist unbekannten Kriegsziele seines Königs, unbemerkt "das Weite suchen", denn die anderen Beteiligen waren einerseits selbst mit ihrem Überleben beschäftigt, andererseits war ihnen wegen der Staubwolke der Überblick erschwert. Fahnenflucht war natürlich für die Ritter kein Thema, gehörte doch Verlässlichkeit zu ihren ritterlichen Tugenden, auf die sie ihr Leben lang eingeschworen worden waren.

 

"Etwas anzetteln"

Mit dem Zettel aus Papier hat dieser Ausdruck nichts zu tun. Er kommt aus dem Vokabular der Weber. Wenn ein neues Gewebe begonnen werden sollte, mussten zuerst die Längsfäden im Webstuhl oder Webrahmen aufgespannt werden. Diese Längsfäden wurden "Zettel" genannt. Wenn man mit den Vorbereitungen einer Arbeit begann, zettelte man also etwas an. Gerieten die Fäden aber durcheinander, "verzettelte" man sich. Ursprünglich war die Redewendung sowohl positiv als auch negativ im Gebrauch, heute versteht man unter Anzetteln die Vorbereitung einer strafbaren Handlung. Nach getaner Arbeit überprüfte der Meister sowohl "Strich" als auch "Faden" des vollendeten Gewebes, und dieser Test "nach Strich und Faden" war eine wichtige Qualitätskontrolle.

 

"Ein Auge zudrücken"

In einer alten bäuerlichen Rechtssatzung stand, ein Richter solle "einen einäugigen Büttel auf einem einäugigen Pferd" zu einem Beschuldigten schicken, wenn er diesem gegenüber andeuten wolle, dass er unter Umständen Gnade vor Recht ergehen lassen werde. Einmal abgesehen von der Schwierigkeit, beides aufzutreiben, ist die Logik des Vorgangs nicht so recht nachvollziehbar.

 

"Ein Brett vor dem Kopf haben"

Im Mittelalter wurden als Zugtiere hauptsächlich Ochsen eingesetzt, Rinder, die im Gegensatz zu Stieren und Bullen kastriert waren. Sie waren stark, genügsam und relativ gutmütig. Trotzdem musste man aufpassen, dass die Tiere nicht scheuten, denn dann waren sie aufgrund ihrer Stärke nur schwer unter Kontrolle zu bekommen. Möglicherweise ist das Brett vor dem Kopf eine Art Scheuklappe gewesen, die störrischen Ochsen vor die Augen gehängt wurde. Mit dem besagten Brett könnte aber auch das Stirnjoch gemeint sein - bis zum hohen Mittelalter, als das Kummet erfunden wurde, setzten die Bauern die Kraft der Ochsen hauptsächlich über ein vor die Hörner gelegtes hölzernes Joch um. Die Redewendung "an der Nase herumführen" kommt übrigens auch aus diesem Zusammenhang. Den Ochsen, vor allem aber den unberechenbaren Zuchtstieren wurde ein Ring durch die Nase gezogen, mit dem sie gelenkt werden konnten, denn jeder Widerstand verursachte heftige Schmerzen.

 

"Eine Lanze brechen"

Diese Redewendung lautet korrekt "eine Lanze einlegen" und entstammt dem mittelalterlichen Turnierwesen. Wenn man sich im Kampfgetümmel für einen Freund einsetzte, legte man seine Lanze ein - das bedeutet, man klemmte sie sich zwischen rechten Oberarm und rechten Brustpanzer, wo zu diesem Zweck meist ein passender Haken angebracht war - und ritt auf den betreffenden Gegner los. Bei diesen durchaus brutalen Zweikämpfen riskierte man den Bruch seiner Lanze, was die andere Version erklären mag. Heute legt man, statt einer Lanze, ein gutes Wort ein. Das Wort "Lanze" wurde erst ab 1200 als Lehnwort aus dem Französischen benutzt, im Mittelhochdeutschen hieß sie "sper".

 

"Jemanden schröpfen"

Die Lehre von den vier Säften - gelbe Galle, schwarze Galle, Blut und Schleim - beherrschte die Medizin des Mittelalters. Mit diesen angeblich alles entscheidenden Körperflüssigkeiten beschäftigte man sich, wenn es galt, eine Krankheit zu bekämpfen. Zu den routinemäßigen Behandlungstechniken gehörte das Schröpfen. Dabei versuchte der Bader, Schadstoffe durch die Haut aus dem Körper zu saugen. Auch die Redewendung "Jemanden zur Ader lassen" hat sich bis heute in einem ähnlichen Sinn erhalten. Auch für den Aderlass war der Bader zuständig. Aus der Armvene wurde Blut in erheblicher Menge entnommen, weil man annahm, das Gleichgewicht der vier Säfte sei gestört und müsse wieder hergestellt werden, oder "schlechtes" Blut müsse entfernt werden. So ein Aderlass hatte nur selten therapeutische Wirkung. Erstaunlicherweise hat er sich aber als "Allheilmittel" sehr lange gehalten, obwohl die Patienten sich danach nicht wohler, sondern schwächer fühlten. Dass sie den Bader dennoch bezahlen mussten, hat sicher zum negativen Sinn dieser Redewendung beigetragen.

 

"Jetzt schlägt's 13"

Eine Uhr steht nie auf der Dreizehn, eine Glocke schlägt nie dreizehn Mal. Wie kommt es dennoch zu diesem Ausdruck? Die Zahl Zwölf galt in der Zahlensymbolik als universell, denn sie ist das Produkt aus der heiligen Zahl Drei, und der weltlichen Vier, der Anzahl der Himmelsrichtungen.

Es gibt zwölf Apostel, zwölf Monate, zwölf Tierkreiszeichen zwölf Propheten. Die Dreizehn war das "Dutzend des Teufels". Sie galt deshalb als gefährlichste Zahl, und wenn sie auftauchte, ging etwas nicht mit rechten Dingen zu.

 

"Mit seinem Latein am Ende sein"

Die lateinische Sprache war, ausgehend von Rom als antiker Weltmacht, die Verkehrssprache im Mittelalter. Latein war nicht nur die Sprache der Kirche, sondern an den seit dem 13. Jahrhundert gegründeten Universitäten auch die Sprache der Wissenschaft, die unter dem Einfluss der Kirche stand. So wurde sowohl die Medizin als auch die Juristerei meist unter theologischen Aspekten ausgeübt. In der Medizin ist auch heute noch die lateinische Terminologie, ergänzt durch altgriechisches Vokabular, im Gebrauch. Für den einfachen Mann war diese Sprache unverständlich; im Gottesdienst, vor Gericht und auch beim Arzt. Erkannte ein Arzt eine Krankheit nicht, entstand daraus die Redewendung: Er ist mit seinem Latein am Ende.

 

"Den Kürzeren ziehen"

Gottesurteile waren im Mittelalter weit verbreitet. Die Menschen waren erheblich religiöser als heute und sahen in allem Möglichen das persönliche Eingreifen Gottes. Das Los-Verfahren wurde ernsthaft eingesetzt, wenn die Entscheidung über gut und böse nach menschlichem Ermessen nicht möglich war. Dann konnte das Losen mit Halmen, Stroh und Holzstäbchen nach damaliger Auffassung Aufschluss darüber geben, was Gott für die richtige Lösung hielt. Dabei konnte es natürlich auch zu einem negativen Numerus clausus kommen, indem der, der den kürzesten Strohhalm zog, im Unrecht war.

 

"Etwas auf dem Kerbholz haben"

Zu Zeiten, als noch viele Menschen nicht lesen und schreiben konnten und es deshalb noch keine Verträge und Quittungen gab, war das Kerbholz das wichtigste Hilfsmittel für das Aufzeichnen von Lieferungen und Arbeitsleistungen. Das Kerbholz war eigentlich gar kein einzelnes Holz. Es bestand aus zwei aufeinander passenden Hölzern, also zwei Holzlatten, von denen sich eine im Besitz des Schuldners und das Gegenstück in der Obhut des Gläubigers befand. Erhielt zum Beispiel ein Käufer einen Kredit, so wurden auf den nebeneinander gelegten Hölzern durchgehende Kerben eingeschnitten, geritzt oder gebrannt. Oder das Kerbholz wurde erst nach dem Einkerben gespalten und jeder Partner erhielt einen der beiden Teile. Nach Bezahlung der Schuld wurde auf den beiden Hölzern mit einem Messerschnitt "abgekerbt". Da meist Schulden auf dem Kerbholz gestanden haben werden, hat das zum negativen Unterton dieser Redensart geführt.

 

"Holzauge, sei wachsam!"

Beim Hobeln muss man aufpassen: Ansätze von Ästen, auch Augen genannt, sind härter als das umgebende Holz. Die Klinge des Hobels könnte an ihnen Schaden nehmen. Daher der Warnruf: "Ein Holzauge! Sei wachsam!"

Holzaugen gab es aber auch als eine spezielle Form von Scharten in Burgen: In der Maueröffnung steckten hölzerne Kugeln, die in der Mitte ein Loch hatten. Durch dieses konnte beobachtet, aber auch gekämpft werden.

 

"Steinreich sein"

Im Mittelalter wurden die Häuser der einfachen Leute aus Holz gebaut - Fachwerkhäuser eben, wobei "Fach" ein alter Ausdruck für Wand ist, enthalten auch in "Unter Dach und Fach".

Nur Reiche konnten sich Steine aus Steinbrüchen leisten, die behauen werden mussten und deshalb teuer waren. Reich war im Mittelalter der Adel, dem das Land gehörte. Er bevorzugte es, in Steinhäusern zu residieren, denn nur Häuser mit steinernen Wänden waren so stabil, dass sie auch einem Überfall von Feinden standhalten konnten. Aus diesen festen Häusern, oft in Turmform erbaut, entwickelten sich die Burgen. Als auch die Bürger im späten Mittelalter zu Wohlstand kamen, konnten sie sich ebenfalls prächtige Steinhäuser leisten. Sie waren "steinreich".

 

"Als Prügelknabe herhalten"

Als König Konrad IV. von Hohenstaufen (1228 - 1254) noch ein Junge war, soll einer seiner Kameraden für die Verfehlungen Konrads bestraft worden sein. In Frankreich bekam ein junger Husar für Delikte des jungen Ludwig XV. die Hiebe. Auch in England durfte zu jener Zeit an Adeligen die Prügelstrafe nicht vollzogen werden. Stattdessen musste ein Gleichaltriger vor den Augen des Missetäters die Schläge über sich ergehen lassen. Man nannte ihn "whipping-boy" - Peitschenjunge". Über Konrad den Hohenstaufen wird übrigens gesagt, dass er sich fürderhin große Mühe gegeben hatte, nicht straffällig zu werden, weil er es nicht habe ertragen können, dass ein Unschuldiger an seiner Statt geschlagen wurde.

 

"Das Wasser abgraben"

Höhenburgen waren meist durch ihre steile Lage vor feindlichen Attacken geschützt. Bei den Burgen in der Ebene mussten sich die Baumeister etwas anderes einfallen lassen, um Angreifer auf Abstand zu halten. Man umgab die Burgen mit einer Sperre, die gerade gepanzerte Krieger nur sehr mühsam überwinden konnten: mit einem Wassergraben. Er verwandelte die Burg in eine Insel. Ihre Mauern zu attackieren, war fast unmöglich, denn im Wasser konnte kein Belagerungsturm errichtet werden. Die Lösung war, das Wasser zu entfernen. Wenn die Umgebung es zuließ, konnte man einen Kanal graben, das Wasser floss ab und die Burg stand auf dem Trockenen. Möglicherweise deutet die Redewendung auch auf die - für Burgbewohner höchst gefährliche - Methode hin, der Burg, wenn sie keinen eigenen Brunnen innerhalb der Burgmauern besaß, das Trinkwasser abzuleiten.

Eine dritte Erklärung lautet, dass ein Müller ruiniert war, wenn der Graben, der Wasser auf sein Mühlrad brachte, angestochen wurde - von der Konkurrenz womöglich - und auslief.

 

"Die Katze im Sack kaufen"

Auf mittelalterlichen Märkten wurden Ferkel, Hühner oder Kaninchen zum Abtransport durch den Käufer in einen Sack gesteckt. Des öfteren kam es vor, dass ein betrügerischer Verkäufer etwas Minderwertigeres, zum Beispiel eine hergelaufene Katze, in den Sack steckte.

"In die Bresche springen"

Wie erobert man eine Burg? Man macht ein Loch in die Mauer. Eine solche Gewaltanwendung nannte man "Bresche" (aus dem Französischen: breche = Öffnung, Spalt).

Bevor man daran ging, die Öffnung wieder mit Baumaterial zu verschließen, musste jemand die unerwünschten Gäste aufhalten. Wenn die Öffnung zu Beginn noch relativ schmal war, sprang ein Ritter in die Bresche, der den Engpass wie ein wehrhafter eiserner Korken unpassierbar machte.

 

"Das Heft in der Hand haben"

"Heft" nannte man ursprünglich die Halterung oder den Griff eines Schwertes oder Dolches.

Es ist einleuchtend, dass sich aus der Position, ein Schwert am Griff halten zu dürfen, im übertragenen Sinn ein Begriff für "Gewalt und Macht haben" bildete.

"Sich wie gerädert fühlen"

Rädern war keine Folter, sondern eine der grausamsten Todesstrafen, die im Mittelalter verhängt werden konnten, weil sie mit unmenschlichen Schmerzen verbunden war.

Bei dieser Strafe für Straßendiebe und Mordbrenner wurde dem Verurteilten ein schweres Wagenrad auf die Arme und Beine gewuchtet, bis die Knochen in viele Stücke zerbrochen waren. Diese schon äußerst schmerzhafte Prozedur wurde fortgesetzt, indem die gebrochenen Gliedmaßen in die Speichen des Rades geflochten wurden. Schließlich wurde das Rad auf einen Pfahl gesteckt, und der Sünder musste in dieser Stellung auf den Tod warten.

Kaum zu glauben, aber diese Art der Hinrichtung wurde bis ins 19. Jahrhundert praktiziert.

 

"Den Garaus machen"

Ursprünglich benutzte man die Kombination "Gar aus!" im Mittelalter, um die "Polizeistunde", nach der nichts mehr ausgeschenkt werden durfte, mit diesem Ruf bekannt zu geben. Nach und nach verselbständigte sich der Ausdruck zu einem zusammengezogenen Substantiv, wurde auf diese spezielle Nachtzeit gemünzt und dann auch mit dem zugehörigen Glockenläuten vom Kirchturm in Verbindung gebracht. Auf den Tod übertragen hat man später den Begriff, weil eine der Hauptaufgaben der Kirchenglocken ist, bei Totenmessen und Beerdigungen zu läuten.

 

"Sich die Sporen verdienen"

Bevor ein adeliger Knabe den Ritterschlag erhalten konnte, der ihn zu einem vollwertigen Mitglied dieser Schicht machte, musste er sieben Jahre lang als Page dienen, um Erfahrungen im Umgang bei Hofe zu sammeln - er musste lernen, "höflich" zu sein. Sieben weitere Jahre diente er dann als Knappe bei einem Ritter, bei dem er das Waffenhandwerk erlernte. Er führte schon Waffen, trug auch schon Sporen und durfte an Kampfspielen teilnehmen. Mit 21 Jahren empfing er die Schwertleite, die im 14. Jahrhundert durch den Ritterschlag abgelöst wurde, wenn er sich durch Mut und Treue ausgezeichnet hatte. Dabei wurden ihm goldene Sporen angelegt. Dass er diese Würde verdient hatte, musste er in der nächsten Schlacht in der ersten Kampflinie beweisen.

 

"Vom Leder ziehen"

Die Arbeit eines Barbiers erforderte ein möglichst scharfes Rasiermesser - "haarscharf" eben. Den letzten Schliff verpasste ihm der Meister mit Hilfe eines Lederriemens, auf dem er die Klinge unter Druck hin und her gleiten ließ.

Dennoch weist die Redewendung vielmehr auf die Bewaffnung des Kriegers mit Hieb- und Stichwaffen hin. Dolche, Messer und vor allem Schwerter steckten, wenn sie nicht gerade in Benutzung waren, in ledernen Scheiden, damit sich der Träger nicht versehentlich an ihnen verletzen konnte. Wenn der Ritter das Schwert "vom Leder" zog, wurde es ernst.

 

"Die Hand ins Feuer legen"

Dieses mittelalterliche Gottesurteil war sicher eines der schmerzhaftesten, denn der Angeklagte musste bei der Feuerprobe die Hand ins Feuer halten. Als unschuldig galt, wer sich entweder gar nicht verbrannte - was sicher sehr selten vorkam - oder wessen Wunden in kürzester Frist wieder verheilt waren. Von einem ähnlichen Gottesurteil ist die Redewendung "ein heißes Eisen anfassen" erhalten geblieben; in der sogenannten Eisenprobe musste der Beschuldigte ein glühendes Metallstück tragen. Übrigens konnte auch ein anderer Bürger, der von der Unschuld des Angeklagten überzeugt war, stellvertretend diese Proben auf sich nehmen. Es ist nicht bekannt, ob sich jemals jemand dazu bereit gefunden hat. Kein Wunder, dass wir heute noch sagen: "Da möchte ich mir lieber nicht die Finger verbrennen!"

 

"Etwas aus dem Hut ziehen"

Die Redensart geht zurück auf die Gewohnheit der Bogenschützen, unter ihrem Helm, auch eiserner Hut genannt, Ersatz-Sehnen mit sich herum zu tragen. Diese konnten im Falle, dass die Sehne ihres Bogens riss, aus dem Hut gezogen und gespannt werden - der Kampf konnte dann ohne wesentliche Verzögerung weitergehen. Weil das "Ersatzteil-Lager" nicht sichtbar war, kam die Reparatur für den Feind überraschend.

 

"Zur Sau machen"

Im Mittelalter wurden Täter von kleineren Vergehen oft dazu verurteilt, zum allgemeinen Gespött einen Hund oder ein Schwein durch die Stadt zu tragen. Später wurde das Tier durch eine Maske in Tierform ersetzt. Das Tragen einer solchen Schandmaske, zum Beispiel eines wie ein Schweinekopf geformten eisernen Korbes, war eine verbreitete Ehrstrafe, denn sie gab den Täter der Lächerlichkeit preis. Für verschiedene Vergehen gab es passende Masken, die möglichst etwas mit der Tat zu tun haben sollten.

Das Schwein galt, weil es sich gern im Schlamm suhlt, als schmutziges Tier (was bekanntlich nicht stimmt).

Deshalb sagt man bis heute von Menschen, die sich hemmungslos gehen lassen, dass sie "die Sau rauslassen."

Der Ausdruck "unter aller Sau" dagegen hat mit Schweinereien nichts zu tun. Er leitet sich vielmehr aus dem jiddischen Wort "seo" für "Maßstab" ab, welches die Volksetymologie zu "Sau" gemacht hat.

 

"Unter die Haube kommen"

Für eine verheiratete Frau im Mittelalter war es unschicklich, ohne Kopfbedeckung aus dem Haus zu gehen. Das Haar offen zu tragen, war Symbol der Jungfräulichkeit. Die Haube wurde am Tag der Hochzeit aufgesetzt, und kennzeichnete so den Ehestand. "Unter einen Hut bringen" drückte den Machtanspruch des Ehemannes über seine Frau aus: Sie musste akzeptieren, dass er den Hut auf hatte, das Symbol der Herrschaft.

"Auf den Leim gehen"

Jahrhundertelang war es üblich, Singvögel in Mengen zu fangen. Ein Teil davon wurde in Käfigen gehalten, bevorzugt der Fichtenkreuzschnabel oder andere Finken, da diese Vögel schön singen. Viele Singvögel, vor allem Amseln und Drosseln wurden aber auch auf die Speisekarte gesetzt, teilweise, um im Winter die nahrungsarme Zeit zu überstehen, aber auch als Delikatesse. Die Vogelfänger arbeiteten in der Regel entweder mit Netzen oder mit Ruten, die mit Leim oder Pech bestrichen waren. Ein Lockvogel in einem daneben gestellten Käfig suggerierte den Opfern die Harmlosigkeit der Leimrute, und die kleinen Sänger blieben mit Füßen und Flügeln kleben und konnten eingesammelt werden - Pechvögel eben.

 

"Das Wasser nicht reichen können"

Bei einem mittelalterlichen Bankett herrschte zwar Überfluss in Sachen Speisen und Getränke, das Essbesteck aber war im Vergleich zu heute erstaunlich einfach. Es gab nur Löffel für die Suppe, ansonsten wurde mit den Fingern gegessen. Um diese vor und nach der Mahlzeit zu reinigen, konnten sich die Gäste Wasser über die Hände gießen lassen. Es ist in vielen mittelalterlichen Quellen bezeugt, dass das "wazzer nemen" ganz selbstverständlich zum Gastmahl gehörte. Das Wasser wurde den adeligen Festteilnehmern von einem Pagen offeriert, also einem Edelknaben, der am Hofe des Gastgebers diente. Ein niederer Angestellter, etwa ein Knecht, hätte den hochgestellten Gästen nicht "das Wasser reichen können", er hätte ja im sozialen Niveau weit unter ihnen gestanden.

 

"Einen Stein im Brett haben"

Im Mittelalter gab es ein beliebtes Brettspiel namens "Puff", auch "Trictrac" genannt. Es war dem heutigen Backgammon ähnlich. Wer zwei Felder nebeneinander besetzen konnte, hatte einen guten Stein im Brett. Der Ausdruck "Puff" für Bordell geht auf dieses Spiel zurück, da es dort häufig gespielt wurde, man ging also zum Puff.

Die Redewendung wurde in dem Sinn benutzt, dass ein Vertrauter vor Ort, der einem bei Problemen mit der Obrigkeit helfen kann, wie ein guter Stein im Brett ist.

 

"Um die Hand anhalten"

Jahrhunderte lang kam für die Frau nur die traditionelle Rolle als Hausfrau und Mutter in Frage. Ein selbständiger Gelderwerb war undenkbar. Noch weit ins 20. Jahrhundert hinein waren viele Frauen völlig auf die Fürsorge eines Mannes angewiesen. Dieser Mann war erst der Vater. Bei der Heirat ging die Verantwortung an den Ehemann über. Dies wurde symbolisch dadurch ausgedrückt, dass der Vater dem Bräutigam feierlich die Jungfrau an der Hand zuführte. Dann legte der Vormund die Hand der Braut in die des Bräutigams.

Die Hand, das wichtigste Werkzeug des Menschen, war schon immer ein Symbol der Macht, des Besitzes und Schutzes und stand auch symbolisch für den ganzen Menschen. Insofern meinte der Freier natürlich die ganze Frau, wenn er um deren Hand anhielt.

In der Zeit der symbolischen Gesten war übrigens auch der Fuß wichtig; auf den musste der Mann der Angetrauten treten, um die "Inbesitznahme" perfekt zu machen.

 

"Ein Schlitzohr sein"

Alle Gesellen trugen einen goldenen Ohrring, der ihr Notgroschen, ihre eiserne Reserve war. Hatte ein Geselle grob gegen Regeln verstoßen oder war sogar straffällig geworden, so wurde ihm vom Meister dieser Ring vom Ohr gerissen, was eine schlitzförmige Narbe hinterließ - eine Warnung an weitere Arbeitgeber oder Meister.

 

"Jemanden hänseln"

Mit dem Bruder von Gretel hat diese Redensart nichts zu tun. Vielmehr geht sie zurück auf die Hanse, vom 12. bis zum 17. Jahrhundert die wichtigste Handelsvereinigung Mittel- und Nordeuropas. In diese Gemeinschaft aufgenommen zu werden, brachte viele Vorteile mit sich. Allerdings erschwerten die Mitglieder die Neuaufnahme durch Proben, die ein Bewerber zu absolvieren hatte. Diese Aufnahmezeremonien wurden schon 1259 durchaus ernsthaft "Hänseln" genannt und waren drastischer, ja geradezu derber Natur. Man ließ die Kandidaten klobige Pillen oder üble Flüssigkeiten hinunterwürgen, warf sie in einen Sumpf oder in eisiges Wasser. Daher hat sich das Hänseln in der Bezeichnung "jemanden ärgern" bis heute gehalten.

 

"Ein Quacksalber sein"

Der Bader war im Mittelalter, als die Medizin noch in den Kinderschuhen steckte und sich hauptsächlich auf die Lehre von den vier Säften beschränkte, neben den Kräuterfrauen die einzige Erste-Hilfe-Station. Er war zuständig für Knochenbrüche und andere Verletzungen, legte Verbände an und gab das eine oder andere pflanzliche Heilmittel zur äußeren oder inneren Anwendung. Quacksalber nannte man die Scharlatane und Wunderdoktoren, die mit einer Salbe alle Übel zu heilen vorgaben. Ausgangspunkt dieses Begriffs ist vermutlich das Quecksilber, ein wichtiger Bestandteil einer Salbe gegen Syphilis. Eine andere Deutung bezieht sich auf die Wörter "kwakken - prahlen" und "zalf - Salbe".

 

"Im Schlaraffenland leben"

"Slur" bedeutet im Mittelhochdeutschen "fauler Mensch". Im 14. Jahrhundert war ein "Slur-affe" ein Müßiggänger. Faulheit und Müßiggang wurden damals verachtet. Man sprach vom "Schluraffenlandt", und der Volksphantasie waren keine Grenzen gesetzt, sich die Lebensweise der "Schluraffen" in den sattesten Farben auszumalen.

 

"Das Blatt wendet sich"

Um Johannis, also nach der Sommersonnenwende, findet in der Natur ein eigenartiges Phänomen statt. Es senken bzw. wenden sich die Blätter an fast allen Bäumen mehr oder weniger stark, um mehr Regen durchzulassen. An den gewendeten Baumblättern kann man erkennen, dass der längste Tag vorbei und der Höhepunkt des Jahres überschritten ist.

Die Redewendung bezog sich zuerst nur auf die Jahreszeiten, wurde im übertragenen Sinn später auf die Wendungen des Schicksals erweitert.

 

"Schwein gehabt"

Schon im Mittelalter gab es Wettbewerbe und Preiskämpfe in vielen Disziplinen. Darunter waren Pferderennen und Schießwettbewerbe mit Bogen oder Armbrust am beliebtesten. Je nach Anlass wurden hohe Preise ausgelobt. Der Letzte gewann einen "Trostpreis", der auch gleichzeitig ein "Spottpreis" war, nämlich ein Schwein. Die Schande, ein Schwein durch die Stadt treiben zu müssen, scheint größer gewesen zu sein als das Glück, immerhin noch ein ganzes Schwein mit nachhause nehmen zu können. Zwar hatte man sich lächerlich gemacht, aber auch etwas relativ Wertvolles abbekommen, also: Glück im Unglück.

 

"Die Tafel aufheben"

Die Einrichtung mittelalterlicher Burgen war weitaus schlichter, als sich das die meisten Menschen heute vorstellen. Der "Rittersaal" war relativ leer, die Gäste des Hausherrn nahmen auf einfachen Bänken Platz, und die Speisen standen auf großen Brettern, die auf Holzböcken lagen. Die Tafeln wurden nach dem Mahl mit allem, was darauf stand, mit Speiseresten und benutztem Geschirr, aufgehoben und aus dem Saal getragen.

Schon sehr lange werden keine Tischplatten mehr aus dem Raum getragen, und dennoch hat sich die Redensart bis heute gehalten als Signal, dass eine Mahlzeit beendet ist.

 

"Unter einer Decke stecken"

Zwangsheiraten waren im Mittelalter üblich. Die Verheiratung der Kinder wurde meist von den Eltern betrieben, wobei andere Faktoren eine Rolle spielten als Zuneigung. Das ganze ähnelte eher einem Geschäft oder Zweckbündnis. Laut "Sachsenspiegel" von 1220 gehörte es zu den symbolischen Rechtsakten, dass eine Ehe erst dann als rechtmäßig geschlossen galt, wenn die frisch Vermählten zusammen und vor Zeugen ins Bett gestiegen waren und sich zugedeckt hatten, also unter einer Decke steckten. In den höfischen Ritterepen wird außerdem berichtet, dass auch Ritter eine Bettstatt teilten, wenn es, zum Beispiel bei Festen auf Burgen, zu wenige Kammern gab. Selbstverständlich jedoch schliefen nur Freunde, die sich trauten, dass heißt vertrauten, unter einer Decke.

 

"Einen Korb geben"

Ein weit verbreiteter Brauch im Mittelalter: Freiern, die unter dem Fenster ihrer Angebeteten standen, wurde ein Korb aus dem Fenster heruntergelassen. Darin konnten sie sich zu ihr hochziehen lassen. Einem nicht willkommenen Freier schickte die Dame einen Korb mit beschädigtem Boden, der unter dem Gewicht des Mannes dann heraus brach. Diese "bodenlose" Gemeinheit ließ den Liebhaber "durchfallen".

Eine andere Variante der Abweisung bestand darin, das Hochziehen eines intakten Korbes auf halber Höhe zu stoppen, den Freier also "hängen zu lassen".

 

"Eine Eselsbrücke bauen"

Esel gelten als dumm und störrisch. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Esel wissen genau, was sie wollen und was nicht, und dafür gibt es dann auch einen guten Grund. Zum Beispiel weigern sich Esel, auf einer Brücke, die keinen geschlossenen Boden hat, einen Fluss zu überqueren. Diese Vorsicht ist nur natürlich, denn das Tier weiß ja nicht, dass seine Scheu unbegründet ist. Im Mittelalter verstand man also unter einer Eselsbrücke eine Schwierigkeit, die nur für Dumme gilt, keine echte, sondern nur eine vermeintliche Gefahr. Diese Erklärung ging im Laufe der Zeit verloren, so dass man die Wendung heute genau umgekehrt versteht, dass nämlich für den Esel, also den angeblich Dummen, eine Hilfskonstruktion errichtet wird, die ihm hilft, eine Schwierigkeit zu überwinden.

 

"Aus dem Stegreif"

Dieses Substantiv reicht schon ins Althochdeutsche zurück. Der Begriff hat mit dem Stehen nichts zu tun und ist deshalb kein "Steh-Greif", sondern müsste "Steg-Reif" geschrieben werden. Es handelt sich um die alte Bezeichnung für den Steigbügel, der früher mehr wie ein Reif, also ein Ring, geformt war. Um größere Aufmerksamkeit zu erzielen, verlasen Kuriere oder Herolde die Botschaften ihres Herrn, ohne vom Pferd zu steigen. Sie erhoben sich vielmehr aus dem Sattel, blieben also in den Stegreifen, den Steigbügeln. Deshalb bezieht sich die Redensart auf den eiligen Reiter, der etwas erledigt, ohne abzusteigen. Später veränderte sich der Sinn dieser Wendung hin zum Spontanen, Improvisierten.

 

"Die Kurve kratzen"

Die mittelalterlichen Städte hatten enge Gassen, die eigentlich nur für Fußgänger und für von Eseln gezogene Karren gedacht waren. Als Kutschen aufkamen, hatten diese oft Schwierigkeiten, um die Ecken zu biegen, ohne die Wände der Häuser zu berühren, vor allem, wenn sie ein bestimmtes Tempo überschritten. Dann kratzten die vorstehenden Naben der Wagenräder an den Hausecken, oder die Seitenwände der Wagen beschädigten diese. Um das zu verhindern, ließen sich die Bewohner von Eckhäusern etwas einfallen. Sie ließen große Steinblöcke, auch "Kratzsteine" genannt, dicht an der Hausecke so in den Boden ein, dass sie weit emporragten. Die Lenker der Pferdewagen waren dann gezwungen, Abstand zu halten, wenn sie nicht einen Radbruch riskieren wollten.

 

"Türmen"

Das Gefängnis der Stadt, der Kerker, war im Mittelalter meist in einem der Stadttürme untergebracht. Es war sicher das Ziel eines jeden Häftlings, hier heraus zu "türmen".

 

"Auf Heller und Pfennig"

Ein Heller ist eine seit 1228 geprägte Kupfermünze, die nach der Stadt Schwäbisch Hall benannt wurde, während der Pfennig schon von Karl dem Großen als kleinste Münze eingeführt wurde. Wenn man also etwas "auf Heller und Pfennig" bezahlt, will man nicht die geringste Summe schuldig bleiben. Genauso ist jemand, der "keinen Heller wert" ist, auch heute noch ein nichtsnutziger Mensch, man könnte sogar sagen: "keinen Pfifferling wert", denn dieser Pilz war im Gegensatz zu heute so weit verbreitet, dass es sich nicht lohnte, ihn auf dem Markt zu verkaufen. Ein Deut war eine niederländische Münze und hatte den Wert von ungefähr 2 Pfennigen. Wer also "keinen Deut besser" ist, ist ein genauso schlechter Kerl.

 

"Mit jemandem Deutsch reden"

Das Wort "diutisc - deutsch" erscheint zum ersten Mal in einem althochdeutschen Dokument aus dem Jahre 786 und bedeutete damals in etwa "volksmäßig", im Gegensatz zum Lateinischen. Von "Deutsch" im heutigen Sinne kann dabei allerdings kaum gesprochen werden. Wir hätten dieses "Deutsch" nicht verstanden. Bis ins späte Mittelalter und in die Neuzeit hinein lebte Latein als Gelehrten- und Kirchensprache weiter und war dem Volk unverständlich. Die Reformation hatte nicht zuletzt dadurch Erfolg bei den Menschen, weil sie auf Latein als Gottesdienst-Sprache verzichtete. "Mit jemandem Deutsch reden" bedeutete damals, ""für jedermann verständlich" zu sprechen.

 

"Geld bei etwas herausschlagen"

Geld wurde im Mittelalter nicht mittels einer Presse hergestellt, sondern aus dem Metall geschlagen. Die Redewendung bedeutet also eigentlich, dass man z.B. aus einem Silberbarren durch einen Prägeschlag möglichst viele Münzen - heute würde man sagen, Kapital - "heraus schlägt".

 

"In den Wind schlagen"

Im "Sachsenspiegel" aus dem 13. Jahrhundert, dem ersten deutschen Rechtsbuch, wird beschrieben, wie damit umzugehen war, wenn ein Beklagter nicht zu einem gerichtlich angeordneten Zweikampf erschien. Ein Gerichtskampf war damals ein anerkanntes Mittel, ein Gottesurteil einzuholen. Wenn also der Kläger sich nicht mit dem Beklagten schlagen konnte, ging man davon aus, dass dieser damit seine Schuld eingestanden hatte. Damit aber der Kläger als Sieger vom Platz gehen konnte, musste er drei Mal in den Wind schlagen, was wohl als symbolische Kampf-Geste zu werten ist. Erst mit dieser Rechtsgebärde hatte er den Zweikampf offiziell gewonnen. Die typische "wegwerfende Handbewegung", die heute noch ausdrückt, dass man eine andere Meinung nicht akzeptiert, ist ebenfalls noch ein letzter Rest vom "In den Wind schlagen".