Der Aufstieg des Rates

Nürnberg war im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit eine Großstadt von europäischem Rang, die sich selbst als "Republik" bezeichnete.

Regiert wurde sie, wie der Ratskonsulent Christoph II. Scheurl (1481-1542), der seit 1514 an der Erneuerung des Nürnberger Stadtrechts mitarbeitete,

1516 aufzeigte, von einem Kreis politisch berechtigter Familien, die ausschließlich alle Ratssitze und Ratsämter besetzten.

Die Schrift Scheurls, gerichtet an Johannes von Staupitz (1465-1524), den Generalvikar der reformierten Augustinereremiten und Förderer Martin Luthers (1483-1546), ist eine komprimierte Beschreibung und somit eine der äußerst seltenen überlieferten Innenansichten des Nürnberger Ratsregiments, das wenig später von Kaiser Karl V. (reg. im Reich 1519-1556, gest. 1558) als Modell für die Verfassungen der oberdeutschen Reichsstädte herangezogen worden war.

Die seit dem Humanismus als Patriziat bezeichneten politisch berechtigten Familien erschienen erstmals 1256 als selbständiger Rat.

Dieser bestand seit dem Ende des 13. Jahrhunderts aus zwei Kollegien, zuständig für Gerichts- und Verwaltungsangelegenheiten. Beide umfassten jeweils 13 Mitglieder.

Dem Gerichtskollegium der "scabini" (Schöffen) stand der Reichsschultheiß vor. Das gewichtigere Kollegium bildeten jedoch die Ratenden, die "consules"; sie waren in der Lage, alle neu auftauchenden Aufgaben im 14. Jahrhundert an sich zu ziehen. Beide Kollegien verschmolzen um 1320 zum Rat, in Abgrenzung zum Größeren Rat auch häufig als Kleinerer Rat bezeichnet. Diesen Prozess begleitete die sukzessive Entmachtung des Reichsschultheißen, dessen Amt sich zunehmend auf hochgerichtliche Aufgaben beschränkte. Seit 1313 war er dem Rat eidlich verpflichtet, 1339 wurde sein Amt einem Bürger pfandweise überlassen, 1385 erwarb die Stadt die Pfandschaft und schließlich 1427 das ganze Amt. Von da an war der Reichsschultheiß ein städtischer Beamter, zuständig für repräsentative und militärische Aufgaben, die Gerichtsfunktionen wurden an das Stadtgericht übertragen. Seit 1571 wurde das Amt des Reichsschultheißen mit dem des Vordersten Losungers verbunden.

Eine kurze Unterbrechung im patrizischen Stadtregiment brachte der Handwerkeraufstand 1348/49. In dessen Folge wurde der Kleinere Rat 1370 um 16 Mitglieder erweitert. Als Zugeständnis an die Handwerker - immerhin zahlenmäßig die stärkste Bevölkerungsgruppe - wurde je ein Vertreter der acht angesehensten Gewerbe zum Rat zugelassen, doch blieb diesen eine entscheidende Mitwirkung am Stadtregiment versagt.

Zeitgleich mit den Handwerksherren wurden jedoch weitere acht Mitglieder der patrizischen Familien - die sogenannten Alten Genannten - in den Rat aufgenommen. Das Gesamtregiment oder die obrigkeitliche Herrschaft in Exekutive, Legislative und Jurisdiktion in der Reichsstadt und später im ausgedehnten Landgebiet kam ausschließlich und exklusiv dem patrizischen Kleineren Rat zu, der später auch Magistrat genannt wurde. Er setzte sich seit 1370 aus 34 patrizischen Ratsherren und den acht "Ratsfreunden vom Handwerk" zusammen. Die Mitglieder aus dem Patriziat stellten die 26 Bürgermeister und die acht Alten Genannten.

Die 26 Bürgermeister teilten sich in seit 1392 so bezeichnete 13 Ältere und 13 Jüngere Bürgermeister, die paarweise je vier Wochen gemeinsam regierten ("Frager"), wobei der Ältere Bürgermeister die Ratssitzungen leitete und der Jüngere dem Gericht vorstand. Einen Ausschuss innerhalb des Rats bildeten die sieben Älteren Herren. Sie entstammten den Reihen der Älteren Bürgermeister und waren als "Innerer Geheimer Rat" oder "Collegium Septemvirale" die eigentliche Exekutive im Stadtstaat, die alle Staatsgeschäfte erledigte.

An ihrer Spitze und damit an der Spitze der reichsstädtischen Administration stand ein Triumvirat der drei Vordersten Ratsherren, die seit 1721 den Titel eines Wirklichen Kaiserlich Rates führten.

Dem Triumvirat, die auch als Oberste Hauptleute fungierten, unterstanden alle Ämter in der Stadt und im Landgebiet. Sie wachten gemeinsam über die Heiltümer und die Reichskleinodien. Die zwei Vordersten Ratsherren oder Vordersten Losunger verwalteten die Finanzen der Stadt.

Dem Älteren Ratsherrn oder Vordersten Losunger war zudem noch das Sekretinsigel der Reichsstadt anvertraut, er nahm ab 1571 zusätzlich das Amt des Reichsschultheißen wahr und war der Pfleger der Kaiserburg. Die übrigen vier Septemvirn, im curriculum honorum hinter den drei Obersten Hauptleuten stehend, hatten keine festgeschriebenen Funktionen.