Deutsche Klöster als Keimzelle der Brauwissenschaft

 

Im Mittelalter braute man in den Klöstern zunächst für den eigenen Bedarf. Schritt für Schritt setzte sich im Laufe der Jahre der Export durch, und die Klosterbrüder brauten Bier zur Abgabe an Fremde und Ausschankstätten in der Umgebung ein. Im 7. Jahrhundert begann schließlich die systematische Entwicklung der Brautechnologie in den Klöstern Mitteleuropas. Die Mönche, die für das Brauen des Klosterbieres abgestellt wurden, waren insofern ein wichtiger Teil der Klostergemeinschaft, da sie für das leibliche Wohl in großem Maße verantwortlich waren. Zur Fastenzeit stellte das Bier nicht nur das tägliche Getränk, sondern auch die Nahrung der Klosterbrüder dar. Narrenfreiheit geht vielleicht etwas zu weit, aber die Brauer waren durch die Aufsicht über den zeitintensiven Brauprozess bei der Einhaltung der strengen Klosterregeln doch etwas „außen vor“. Solange gutes, nährreiches und frisches Bier floss, war alles in Ordnung.

 

In Klöstern wie Weihenstephan, Weltenburg, Andechs und vielen anderen wurde der Brauprozess studiert, Abläufe wurden hinterfragt, neue Rezepturen getestet und es wurde mit Heilpflanzen experimentiert. Jeder Brauvorgang, jedes Rezept wurde notiert und von Brauer zu Brauer weitergereicht. Im Vergleich hierzu war die Braukunst, die in den weltlichen Gasthäusern exerziert wurde, zur damaligen Zeit immer noch eher ein glücklicher Zufall, und die spontan einsetzende Gärung wurde als Gottes Tat begrüßt. Technisch im Brauprozess entscheidende Instrumente wie beispielsweise das Kühlschiff oder der Braukessel wurden in den Klosterbrauereien entdeckt oder weiterentwickelt. Oftmals sind die Brauer auch auf Wanderschaft gegangen und haben sich in anderen Klosterbrauereien neues Wissen angeeignet. So sind die Erkenntnisse in der Brauzunft über die Grenzen der Königreiche weitergetragen worden.

Ein Meilenstein auf dem Weg zu geschmacklich gutem und haltbarem Bier war der Einsatz des Heilkrautes Hopfen im Brauprozess.

 

Im 12. Jahrhundert

Haben Mönche mit Hopfen dem Bier seinen typisch bitteren Geschmack verliehen und es länger haltbar gemacht. Vorher wurde beim Brauen die sogenannte Grut eingesetzt – ein Kräutergemisch, dessen Zusammensetzung von Region zu Region, von Braumeister zu Braumeister variierte. Als häufigste Zutaten sind Porst (Schweden und baltische Landstriche) und Gagelstrauch

 

(Norddeutschland, Dänemark, Niederlande und Belgien sowie England) überliefert. In bestimmten Rezepturen wurde als Grut auch Anis, Beifuß, Heidekraut, Ingwer, Kümmel, Lorbeer, Mädesüß, Rosmarin, Salbei, Schafgarbe, Orangenschale, Wacholder und Zimt eingesetzt, um dem Bier fruchtig-würzige Aromen einzuhauchen.

 

Brot und Bier waren in den Klöstern Grundnahrungsmittel und die wohlgeformten Mönchsbäuche wurden täglich mit drei bis fünf Maß Bier genährt. Ein Maß hatte damals eine Füllmenge von bis zu zwei Litern – jedoch hatte das Getränk damals einen deutlich geringeren Alkoholgehalt als heute.

Im 12. und 13. Jahrhundert bekamen die bierbrauenden Mönche Konkurrenz, denn auch Adelige und Städte hatten das Bier als Einnahmequelle für sich und ihre leeren Kassen entdeckt. Brauen wurde vielerorts zum bürgerlichen Recht, vorausgesetzt, man konnte einen eigenen Grund und ein Haus vorweisen.

 

Der Hopfen setzte sich als entscheidende Zutat auch bei weltlichen Brauern durch; damit war die Haltbarkeit der Biere gesichert, Lagerfähigkeit und Geschmack wurden verbessert. Bier konnte nun nicht nur gelagert, sondern auch in fernere Regionen vertrieben werden. Zu dieser Zeit wurde das Bier über eine sogenannte Akzise (Verbrauchersteuer) direkt besteuert. In diesem Punkt hatten die Klöster einen großen Vorteil: Sie mussten keine Steuern bezahlen. Zudem hatten sie ausreichend Arbeitskräfte und konnten die Rohstoffe selbst anbauen.

 

Die Mönche waren auch nie von einem Brauverbot betroffen, das zum Beispiel bei Missernten verhängt wurde, um das Getreide zum Backen statt zum Brauen zu verwenden. Während der Reformation und auch im Dreißigjährigen Krieg wurden viele Klöster aufgelöst. 1803, im Zuge der rechtsrheinischen Säkularisation, gingen viele kirchliche Besitztümer in staatliches Eigentum über – damit starben auch die Klosterbrauereien nahezu aus.

 

Im Norden Deutschlands entstanden zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert zahlreiche Brauereien, die zu einem bedeutenden Handwerkszweig aufstiegen. Norddeutsche Biere waren sogar bis nach Indien bekannt und wurden via Pferdewagen und Schiff versendet. Der Süden Deutschlands zog nach, und der Bayernherzog Wilhelm V. beispielsweise veranlasste, ein eigenes Brauhaus zu bauen, damit der Hofstaat endlich bayerisches Bier trinken konnte und nicht mehr auf nordische Importe angewiesen war.

 

Heute back ich, morgen brau ich

 

Früher war das Brauen noch reine Frauensache. Meist wurde an einem Tag der Woche Brot gebacken und einer der nicht ganz fertig gebackenen Laibe als Startkultur für das Bierbrauen eingesetzt. Mit Wasser vermengt, begann der Gärprozess durch Spontangärung der in der Raumluft befindlichen Hefen und Mikroorganismen. Darauf geht wohl auch der im grimmschen Märchen „Rumpelstilzchen“ beschriebene Ausspruch „Heute back ich, morgen brau ich und übermorgen hol ich der Königin ihr Kind“ zurück. Im Mittelalter nahmen sich die Mönche in den Klöstern der aus heutiger Sicht schon sehr professionellen Braukunst an. Sie hinterfragten einzelne Schritte, beobachteten die Abläufe und verbesserten die einzelnen Prozessschritte nach und nach.